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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Warten auf einen „klugen Schachzug“
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN ZEITUNG:
Warten auf einen „klugen Schachzug“
Die Energiebranche drängt die Bundesregierung, das auslaufende Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz zu verlängern. Die Kraftwerksstrategie sei ohne das KWKG nutzlos.
 
Es wäre ein kluger Schachzug, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz zügig zu verlängern. Das ist die Meinung von Constantin H. Alsheimer, dem Vorsitzenden des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft. Viele in der Energiebranche werden ihm sicherlich zustimmen − nicht nur die Mitglieder des Thüga-Netzwerks. Die Thüga, Kern von Deutschlands größtem kommunalem Stadtwerkenetzwerk, hat ergänzend zur Kraftwerksstrategie eine Verlängerung der KWK-Förderung mit Anpassungen gefordert. Zuvor hatten bereits Branchenverbände wie der BDEW oder der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) eine schnelle Novellierung des KWKG gefordert. 

Das Bundeswirtschaftsministerium hält sich bedenkt, wann das zu novellierende KWKG in Kraft treten könnte. Eine Nachfrage von E&M beim BMWK mit der Bitte um eine Stellungnahme zum Zeitplan blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. 
Eine zügige Novellierung des 2026 auslaufenden KWKG ist aus Sicht des Stadtwerkenetzwerks Thüga jedoch ein zentraler und wirksamer Beitrag zur Versorgungssicherheit. Sie sei insofern eine unverzichtbare Ergänzung der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung, teilte die Thüga mit. „Deutschlandweit fehlen zahlreiche wasserstofffähige Gaskraftwerke. Die Bundesregierung will für deren Bau rund 16 Milliarden Euro an Steuermitteln einsetzen.

Ein kluger Schachzug wäre, in diesem Zusammenhang die Kraft-Wärme-Kopplung über das Jahr 2026 hinaus zu verlängern“, erklärt Thüga-Vorstandsvorsitzender Alsheimer. Denn ein wesentlicher Teil der erforderlichen Kraftwerkskapazität könne durch KWK-Anlagen effizient bereitgestellt werden. Das spart zusätzliche Mittel im Bundeshaushalt, die ansonsten zur Finanzierung reiner Stromerzeugungsanlagen aufgewendet werden müssten.

KWK-Kraftwerke seien „zudem effizient zur Absicherung der Versorgungssicherheit sowohl im Bereich der Strom- als auch der Wärmeerzeugung: Gerade im Winter benötigt Deutschland gleichzeitig grüne Moleküle und viel mehr grüne Elektronen. 

Entfristung des KWKG über 2026 hinaus

Konkret fordert der Stadtwerkeverbund Thüga unter anderem, das KWKG über das Jahr 2026 hinaus zu „entfristen“. Außerdem solle das Gesetz zügig novelliert werden, damit es Anreize für den Einsatz von klimaschonenden Brennstoffen und für eine systemkompatible Fahrweise von KWK-Anlagen bis mindestens ins Jahr 2035 setzt. Dieser Schritt ist laut der Thüga unmittelbar umsetzbar, denn die Befristung auf das Jahr 2026 resultiert aus beihilferechtlichen Auflagen. Diese seien jedoch mittlerweile obsolet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) das KWKG Anfang des Jahres aus dem Beihilferecht entlassen hat.

„Da KWK-Anlagen meist in der Nähe der urbanen Verbrauchsschwerpunkte stehen, fällt der Aufwand für den Stromnetzausbau im Vergleich zum Bau von Residualkraftwerken auf der grünen Wiese geringer aus, zudem sind heute schon KWK-Systeme in Kombination mit Wärmespeichern und Power-to-Heat-Anlagen hochflexibel und ein idealer Komplementär für die Stromerzeugung aus Sonne und Wind“, argumentiert die Thüga.

Knapp ein Viertel der Nettostromerzeugung stammt aus KWK-Anlagen

Die KWK stellt auch nach Ansicht des BDEW eine wichtige Technologie zur Steigerung der Prmärenergieeffizienz, zur Reduktion von CO2-Emissionen und für den Ressourcenschutz dar. 2021 wurden in KWK-Anlagen 117 TWh Strom (entspricht rund 21 Prozent an der Gesamtnettostromerzeugung) und 228 TWh Wärme (entspricht knapp 16 Prozent am Endenergieverbrauch Wärme) produziert, davon rund 105 TWh an Fernwärme. Die KWK trug damit 2021 zur Deckung eines Anteils von gut 14 Prozent am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland bei. Darüber hinaus konnten durch die KWK laut BMWK-Evaluierungsbericht bis zu 54 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber der weniger effizienten ungekoppelten − also getrennten − Erzeugung von Strom und Wärme eingespart werden.

Nach dem Versorgungssicherheitsbericht Strom der Bundesnetzagentur vom Januar 2023 sollten bis 2030 knapp 17.000 MW an steuerbaren Kraftwerksanlagen neu zugebaut werden. Der BDEW argumentiert, dass das KWKG aktuell das einzig bewährte Instrument ist, das kurzfristig Anreize für diese umfangreichen Investitionen in einem marktlichen Umfeld setzen kann. Insofern sollte es zügig an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.

Branche setzt auf schnelle dezentrale Lösungen

„Wir sehen in den vorgelegten Eckpunkten zur Kraftwerksstrategie ein vorsichtiges Zeichen der Politik in Richtung Novelle und Verlängerung des 2026 auslaufenden Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes“, kommentiert Claus-Heinrich Stahl, Präsident des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung, die von der Bundesregierung im Februar vorgelegte Kraftwerksstrategie. Es brauche allerdings zur Flankierung eine schnelle Anpassung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG). Backup-Kapazitäten sollten nach Ansicht der KWK-Branche nicht allein durch den Bau zentraler Großkraftwerke entstehen, sondern auch durch dezentrale Anlagen.

Anders als noch im Entwurf von 2023 werden weder Biomasseanlagen noch Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerke in der Kraftwerksstrategie erwähnt. Die ebenfalls vollzogene Senkung der auszuschreibenden Kraftwerksleistung in der Kraftwerksstrategie von 30.000 auf 10.000 MW wird daher seitens der KWK-Branche als wichtiger Schritt betrachtet. Der B.KWK empfiehlt, die zusätzlich benötigten Kapazitäten über ein novelliertes KWKG und Biomasse-KWK abzudecken.
15.000 MW davon sollten bis 2030 durch gasbetriebene dezentrale KWK-Anlagen gedeckt werden, vorzugsweise mit Biogas und perspektivisch mit Wasserstoff, so der B.KWK in seiner Stellungnahme vom Februar.

Dafür bedarf es eines novellierten KWKG mit Investitionsförderung für KWK-Peaker und einer haushaltsunabhängigen Finanzierung. Eine Verlängerung des KWKG bis mindestens 2035 wird als unerlässlich erachtet, um Verzögerungen zu vermeiden, die notwendige Investitionen behindern könnten. „Die Bundesregierung hat verstanden, dass Backup-Kapazitäten zur Absicherung von Dunkelflauten nicht bestmöglich durch den Bau zentraler Großkraftwerke mit langen Realisierungszeiten entstehen“, sagt B.KWK-Präsident Stahl. Auch dass die auszuschreibende Kraftwerksleistung auf 10 GW gesenkt wurde, sehen „wir als wichtigen Schritt. Wichtig ist, dass diese anhand der Ausschreibungen an den hauptnetzdienlichen Punkten installiert werden, um so einen optimalen Spitzenlastausgleich zu schaffen und den Netzausbau zu unterstützen.“

Die entsprechende Leistung bereitzustellen, dazu sieht sich die Branche durchaus in der Lage. „Unsere Kunden warten auf ein Signal der Politik, dass wir die Energiewende in die nächste Dimension bringen“, sagt zum Beispiel Joachim Maier, Geschäftsführer der Innio Jenbacher Deutschland, der auf der diesjährigen E-world eines der „Leuchtturmprojekte“ seines Unternehmens vorstellte.

Auf dem Biohof Querdel in Sassenberg im Münsterland befinde sich Maier zufolge „das größte regenerative Speicherkraftwerk Deutschlands“ mit 10 MW, die durch drei Jenbacher-BHKW erzeugt werden, wenn im Netz zu wenig Strom aus Wind und Sonne verfügbar ist. Die dabei entstehende Wärme werde über einen Wärmespeicher genutzt, um das Gewächshaus des Biohofs zu beheizen. „Das ist für uns eine Blaupause, aber wir könnten 10.000 solcher Anlagen in Deutschland bauen.“ Auch die bereits bestehenden Biogasanlagen oder Erdgas-KWK-Anlagen hätten noch ein „unheimliches Potenzial, flexibilisiert zu werden und netzdienlich zu fahren“.

Fundamentale Änderung der KWK-Landschaft

Die Nutzung von KWK-Anlagen zur Deckung der Residuallast aber, so Maier, bedeute eine „fundamentale Änderung der KWK-Landschaft“. Von einer Novelle des KWKG erwarte man sich daher eine Änderung des Förderungsdesigns. „Es braucht eine Förderung der Leistung, damit wir investieren können“, sagt Maier. B.KWK-Präsident Stahl betont überdies die Notwendigkeit von Investitionsförderungen.

„Wir als Hersteller sagen ja nicht, KWK ist das Allheilmittel“, sagt Stefan Liesner, Head of Marketing bei 2G Energy, „letztendlich geht es darum, was für die individuelle Liegenschaft, für die Kommune, das Krankenhaus oder die Industrie die beste Lösung ist.“ Deshalb sei sein Unternehmen ebenfalls in die Produktion von Wärmepumpen eingestiegen. „Die Kombination von BHKW und Wärmepumpe ist die Lösung, die die Energiewende schnell umsetzen kann. Wir haben Projektrealisierungszeiträume von sechs Monaten, ich glaube nicht, dass da Großkraftwerke rankommen.“

„Wir müssen zubauen, was wir zubauen können“, sagt Geschäftsführer Johannes Meinhold von Sokratherm im Hinblick auf die Energiewende und plädiert dabei aber dafür, diesen Zubau an Effizienzkriterien zu koppeln. „Bei den jetzt geplanten großen 2,5-Gigawatt-Kraftwerksblöcken gibt es bislang keine Anforderung, dass sie effizient sein müssen. Es heißt nur, dass sie wasserstofffähig sein müssen. Das können wir schon längst.“ Sein Unternehmen setzt, ebenso wie Mitbewerber 2G, auf Kombinationen aus Blockheizkraftwerken und Wärmepumpen. Mit Blick auf die künftigen Anforderungen des Stromsystems sei diese Kombination ideal.

Während der Heizperiode könne in Zeiten des Stromüberschusses die Wärmepumpe genutzt werden. Wenn aus Wind und Sonne nicht genügend Leistung bereitgestellt werden kann, springe das BHKW ein, produziere Wärme und liefere zusätzlich Strom.

Um derartige Investitionen nun zu ermöglichen, braucht es dringend eine Novellierung und vorzeitige Verlängerung des KWKG bis in die 2030er-Jahre. B.KWK-Präsident Stahl sagt deutlich: „Das nächste KWKG muss bis 2035 funktionieren, sonst investiert heute keiner.“
 

Novellierung des aktuellen KWKG

Die Thüga fordert:
  • eine kurzfristige Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) noch in dieser Legislaturperiode,
  • eine zügige Verlängerung der KWK-Förderung über 2026 bis mindestens 2035 bei praxistauglicher Ausgestaltung sowie
  • eine Anreizung des Einsatzes von klimaschonenden Brennstoffen und einer systemkompatiblen Fahrweise für KWK-Anlagen.
Damit die Wärmewende gelingen kann, sei eine Stärkung der Kraft-Wärme-Kopplung unverzichtbar. Mit dem vorgeschlagenen Maßnahmenpaket könnten der Investitionsstau bei KWK-Anlagen aufgelöst sowie neue Investitionen in diese hocheffizienten und für eine sichere Energieversorgung unverzichtbaren Anlagen angereizt werden. Der Bundeshaushalt bleibe dadurch von zusätzlichen Krediten verschont (Haushaltsneutralität).
 
Das Unternehmen Sokratherm setzt auf BHKW und Wärmepumpen
Quelle: Sokratherm
 
Ein BHKW des Herstellers Innio Jenbacher am Flughafen Memmingen
Quelle: E&M/Heidi Roider
Die H2-ready-KWK-Anlage von 2G auf der E-world
Quelle: E&M/Katia Meyer-Tien
 

Heidi Roider und Katia Meyer-Tien
© 2024 Energie & Management GmbH
Dienstag, 09.04.2024, 08:50 Uhr

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